Gemeinsames Sorgerecht und Corona-Impfung: Wenn die STIKO grünes Licht für den Impfstoff für Kinder gibt, ein Elternteil jedoch rotsieht

Auch wenn Sie bisweilen wohl eher selten von Ihrem Kinderarzt bei Schutzimpfungen danach gefragt wurden, ob Sie die elterliche Sorge gemeinsam ausüben und die Einwilligung beider Elternteile vorliegt, braucht es diese bei gemeinsamem Sorgerecht.

Dies deshalb, weil eine Impfung als körperlicher Eingriff gilt. Es handelt sich also um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, § 1628 S. 1 BGB.

Corona-Impfung für Kinder: Was tun, wenn sich die Eltern nicht einig sind?

Gehen die Meinungen der Eltern hinsichtlich der Notwendigkeit einer Impfung des Kindes auseinander und ist eine Einigung außergerichtlich nicht möglich, muss das Familiengericht entscheiden und einem Elternteil das Entscheidungsrecht über die Frage der Impfung übertragen.

Die BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2017 gilt auch für einen Impfstoff gegen COVID 19:

Streiten sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern, die getrennt leben, über die Notwendigkeit von Schutzimpfungen für das Kind, liegt eine nicht alltägliche Angelegenheit vor, für die die Entscheidungsbefugnis auf den Elternteil übertragen werden kann, der die Durchführung der von der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut empfohlenen altersentsprechenden Schutzimpfungen befürwortet.

BGH, Beschluss vom 03.05.2017 – XII ZB 157/16

Das OLG Frankfurt am Main hat sich dem BGH mit Beschluss vom 08.03.2021, Az. 6 UF 3/21, angeschlossen und entschieden, dass bei Uneinigkeit der Eltern über die Durchführung der Schutzimpfung demjenigen Elternteil die Entscheidung übertragen wird, der seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert.

Stiko-Empfehlung maßgeblich?

Dabei reichen die Empfehlungen der STIKO aus – ein gesondertes Sachverständigengutachten über die allgemeine Impffähigkeit des Kindes muss nicht eingeholt werden. Die Impffähigkeit wird ohnehin in der konkreten Impfsituation ärztlich geprüft und eine Impfung hat bei entsprechender Kontraindikation zu unterbleiben.

In einer aktuellen Entscheidung des OLG Frankfurt am Main, welche wegweisend für künftige Corona-Impfungen von Kindern sein dürfte, betonte das OLG, dass auch der Kindeswille nach § 1679a BGB zu beachten sei, wenn Alter und Entwicklungsstand des Kindes es ihm erlauben, sich eine eigenständige Meinung zum Streitthema zu bilden.

Der Fall:

Die Eltern eines 16-jährigen Kindes, bei welchem aufgrund Vorerkrankungen eine eindeutige medizinische Indikation für die Impfung gegen das Corona Virus mit einem mRNA-Impfstoff vorlag, konnten sich hinsichtlich der Impfung nicht einigen. Der Vater befürwortete eine Impfung, wohingegen die Mutter dagegen war. Sie sieht die Impfung als „Gentherapie“ an.

Im Wege des Eilverfahrens hat das Amtsgericht dem Vater vorläufig die alleinige Befugnis zur Entscheidung über die Impfung des Sohnes übertragen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Mutter vor dem OLG hatte keinen Erfolg.

Auch wenn davon ausgegangen werden könne, dass ein 16-Jähriger hinsichtlich des medizinischen Eingriffs gegenüber der Impfperson einwilligungsfähig sei, so bedürfe es daneben dennoch die Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern im Wege eines sog. Co-Konsenses. Nachdem zum Zeitpunkt der Antragsstellung bereits eine Empfehlung der STIKO für eine COVID 19 Impfung als Indikationsimpfung für Kinder zwischen 12 und 17 Jahren mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf vorlag und der Vater nach dieser Empfehlung handeln wollte, sprach sich das Gericht dafür aus, ihm die Entscheidung über die Impfung zu übertragen.

Auch der 16-Jährige selbst äußerte den Wunsch nach einer Impfung. Insofern spreche auch die Rücksichtnahme des auf den Willen des Kindes für eine bessere Entscheidungskompetenz des Vaters.

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17.08.2021, Az. 6 UF 120/21

Kurzum: In der Regel wird der auf die STIKO-Empfehlungen vertrauende Elternteil über die Kindes-Impfung entscheiden dürfen.

Was tun, wenn das Kind die Impfung ablehnt?

Rechtlich kompliziert wird es in den Fällen, in denen das Kind sich gegen eine Impfung ausspricht.

Ab 16 Jahren können Kinder in der Regel selbst entscheiden, ob sie geimpft werden wollen oder nicht. Zwischen 14 und 16 Jahren kommt es auf die Einwilligungsfähigkeit der Jugendlichen an, die im Gespräch mit dem Arzt unter Beweis gestellt werden muss.

Die ärztliche Einschätzung spielt hier eine wichtige Rolle. Überwiegt der Eindruck, das einwilligungsfähige Kind habe sich die Entscheidung gut überlegt, ist eine Impfung des Kindes eher unwahrscheinlich. Rein rechtlich gesehen, dürfte aber wohl auch gegen den Willen des Kindes geimpft werden.

Was tun, wenn die Eltern die Impfung ablehnen?

Der Wunsch eines nicht volljährigen Kindes gegen den Willen beider Sorgeberechtigter sich impfen zu lassen, ist kaum durchsetzbar.

Nachdem in Kürze eine Empfehlung seitens der STIKO für die Impfung gegen Corona bei Kindern ab 5 Jahren zu erwarten ist, ist mit einem förmlichen „Run“ auf die Familiengerichte zu rechnen.

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