Bauhandwerkersicherheit – Verbraucherbauvertrag auch bei Einzelvergabe?

Im Rahmen eines Bauvertrags ist der Handwerker grundsätzlich vorleistungsverpflichtet. Also: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen (bzw. die Vergütung).

Grundsatz: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Abhilfe: Bauhandwerkersicherheit.

Um das Vorleistungsrisiko abzuschwächen, greift der Gesetzgeber den Unternehmen und Handwerkern unter die Arme: Der Handwerker kann im Rahmen eines Bauvertrags eine Sicherheit für die vereinbarte, aber noch nicht gezahlte Vergütung verlangen (zuzüglich eines pauschalen Zuschlags in Höhe von 10 %):

Der Unternehmer kann vom Besteller Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen, die mit 10 Prozent des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen sind, verlangen. Satz 1 gilt in demselben Umfang auch für Ansprüche, die an die Stelle der Vergütung treten. Der Anspruch des Unternehmers auf Sicherheit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Besteller Erfüllung verlangen kann oder das Werk abgenommen hat. Ansprüche, mit denen der Besteller gegen den Anspruch des Unternehmers auf Vergütung aufrechnen kann, bleiben bei der Berechnung der Vergütung unberücksichtigt, es sei denn, sie sind unstreitig oder rechtskräftig festgestellt. (…)

§ 650f Abs. 1 BGB

Ob es hierüber Streit gibt, oder ob Mängel oder Gegenforderungen bestehen, ob die Abnahme erklärt wurde oder nicht, ist hierbei grundsätzlich unbeachtlich, da es sich nur um eine Sicherheit, nicht die Vergütung selbst handelt. Es soll das Insolvenzrisiko gemildert werden. Auch, falls die Forderung nicht korrekt berechnet wird, führt nicht dazu, dass das Sicherheitsverlangen ins Leere geht. Der Unternehmer hat die Sicherheit dann in in zutreffender Höhe nach eigener Berechnung zu stellen.

Der Auftraggeber hat die Sicherheit binnen knapper Frist zu leisten. Verstreicht die Frist fruchtlos, kann der Unternehmer die weitere Leistung verweigern, oder den Vertrag sogar kündigen (und dann wie bei einer freien Kündigung abrechnen).

Keine Sicherheitsleistung bei Verbraucherbauvertrag!

Doch es gibt auch Ausnahmen! Es gibt keinen Anspruch auf Stellung einer Bauhanderwerkersicherheit, wenn der Besteller / Auftraggeber

1. eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen ist, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren unzulässig ist, oder
2. Verbraucher ist und es sich um einen Verbraucherbauvertrag nach § 650i oder um einen Bauträgervertrag nach § 650u handelt.

§ 650f Abs. 6 BGB

Wann liegt ein Verbraucherbauvertrag vor? Auch bei einer Einzelvergabe?

Ein Verbraucherbauvertrag ist nur der Bauvertrag, der den Bau neuer Gebäude (oder erheblicher Umbaumaßnahmen) zum Gegenstand hat. Weiter ist der Begriff im Gesetz nicht definiert. Die Unterscheidung in Verträge und Verbraucherbauverträge existiert erst seit dem 01.01.2018. Bislang ist höchstrichterlich nicht geklärt worden, ob nur der Bauvertrag auch Verbraucherbauvertrag ist, der die Vergabe sämtlicher Leistungen an einen (General-)unternehmer vorsieht, oder ob auch die Einzelvergabe an verschiedene Firmen von der Vorschrift umfasst ist.

Nach bislang überwiegender Ansicht in der Literatur liegt bei einer Einzelvergabe kein Verbraucherbauvertrag vor. Demnach seien nur Verträge, bei denen grundsätzlich alle Leistungen zur Herstellung des Gebäudes aus einer Hand kommen, der Unternehmer also als Generalübernehmer oder Generalunternehmer verpflichtet wird, als Verbraucherbauvertrag zu werten. Das folge aus Wortlaut, Systematik und Regelungszweck von § 650i Abs. 1 BGB und einer richtlinienkonformen Auslegung. Nach dem Wortlaut von § 650i Abs. 1 BGB bezieht sich die Herstellungspflicht auf „ein“ Gebäude, erfasst also das Gebäude in seiner Gesamtheit. Das entspricht der Systematik des Verbraucherbauvertragsrecht, wie sie sich aus § 650j BGB in Verbindung mit Art. 249 § 2 EGBGB ergibt. Danach ist der Unternehmer ua verpflichtet, das herzustellende Gebäude allgemein zu beschreiben (Abs. 1 S. 2 Nr. 1), Gebäudedaten, Pläne mit Raum- und Flächenangaben sowie Ansichten, Grundrisse und Schnitte zur Verfügung zu stellen (Abs. 1 S. 2 Nr. 3) und Angaben zur Beschreibung der Baukonstruktion aller wesentlichen Gewerke zu machen (Abs. 1 S. 2 Nr. 5). Insbesondere diese Pflichten richten sich an einen Generalunternehmer oder Generalübernehmer, der die Verantwortung für die Herstellung des Gesamtgebäudes trägt. Regelungszweck des Verbraucherbauvertragsrechts ist es, die Lücke zu schließen, die dadurch entstanden ist, dass die EU-Verbraucherrechterichtlinie und damit das Verbrauchervertragsrecht Verträge über den „Bau von neuen Gebäuden“ nicht erfasst.

Gleichwohl besteht eine gewissen Tendenz in der Rechtsprechung (OLG Hamm, LG München, LG Münster, OLG Zweibrücken), auch bei einer Einzelvergabe in engem zeitlichen Zusammenhang davon auszugehen, dass gleichwohl ein „Verbraucherbauvertrag“ vorliegt. Das KG Berlin hat sich gegen die Wertung als Verbraucherbauvertrag ausgesprochen. Bis zu einer Klärung durch den Bundesgerichtshof ist letztlich jedoch „alles offen“.

Das OLG Hamm hat sich in seinem Urteil vom 27.04.2021 – I-24 U 198/20 dennoch aufgrund seiner Auslegung mit sehr vielen Konjunktiven dafür ausgesprochen, dass auch die Einzelvergabe als Verbraucherbauvertrag zu werten sei, wenn eine Umgestaltung des Grundstücks erfolgt und die Beauftragung der einzelnen Handwerker zeitgleich oder in engem zeitlichem Zusammenhang erfolgt und die Erstellung eines neuen Gebäudes für den Unternehmer ersichtlich ist; auch müssen die Gewerke zum Bau des neuen Gebäudes selbst beitragen.

Das LG München hat sich in seinem Urteil vom 28.10.2021 – 5 O 2441/21 – beinahe wortgleich der Ansicht des OLG Hamm angeschlossen, und ebenfalls einen Verbraucherbauvertrag angenommen bei Einzelvergabe. So auch das LG Münster. Im Gegenzug hat das Kammergericht Berlin gegen die Ansicht des OLG Hamm entschieden.

Revisionsverfahren anhängig bei Bundesgerichtshof

Es bleibt abzuwarten, wie der Bundesgerichtshof hierzu entscheidet. Der Bundesgerichtshof wird hier ein „Machtwort“ sprechen, ein Revisionsverfahren zu dieser Frage ist bereits anhängig (Az. VII ZR 94/22). Auch das OLG Zweibrücken (5 U 52/21) ging zuvor ebenfalls davon aus, dass es aus Gründen des Verbraucherschutzes geboten sei, auch bei einer Einzelvergabe von einem Verbraucherbauvertrag auszugehen.

Der Unternehmer, der bei einem Verbraucher als Bauherrn trotz Einzelvergabe eine Bauhanderwerkersicherheit verlangt, kann sich also bis zur Entscheidung des BGH nicht sicher sein, wirklich zur Kündigung berechtigt zu sein, sollte die Sicherheit nicht gestellt werden. Der Verbraucher als Bauherr umgekehrt kann sich jedoch ebenso nicht sicher sein, dass die Einzelvergabe beim Bau neuer Gebäude oder erheblicher Umbaumaßnahmen gleichwohl dem Schutz des Verbraucherbauvertrags unterfällt. Er muss sich also darauf einstellen, Sicherheit leisten müssen.

Ihr Ansprechpartner – Fachanwalt für Baurecht in Weiden:

Patrick Konze
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Telefon: +49 961 419925
Telefax: +49 961 419926
E-Mail: info@konze-kraemer.de
(Visitenkarte)

Rechtsanwalt Patrick Konze Fachanwalt Baurecht Architektenrecht Weiden