BGH: Fiktive Schadensberechnung bei Werkverträgen unzulässig – Wie kann Schaden berechnet werden, wenn der Mangel nicht beseitigt werden soll?

Der Bundesgerichtshof hatte mit seinem Urteil vom 22.02.2018 (VII ZR 46/17) die bisherige Rechtsprechung aufgeben, wonach der Besteller einer Werkleistung das Werk behalten konnte, obwohl er den Mangel nicht beseitigen ließ. Bisher war es dem Besteller möglich, seinen Schaden nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten (sprich: den Kosten, die für die Mängelbeseitigung anfallen würden) zu bemessen und sodann ersetzt zu verlangen.

Noch immer sind die Möglichkeiten, wie dennoch der Schaden berechnet werden kann, häufig unklar.

Fiktive Schadensberechnung unzulässig für ab dem 01.01.2012 geschlossene Verträge

Diese fiktive Schadensberechnung ist für ab dem 01.01.2012, also nach neuem Schuldrecht, geschlossene Werkverträge nicht weiter möglich, so der BGH in seinem Urteil. Hintergrund ist, dass sich der BGH dem „Halfmeier-Ansatz“ nun angeschlossen hat, wonach dem Besteller ein Vermögensschaden erst dann entsteht, wenn er den Mangel beseitigen lässt und auch die Kosten hierfür begleicht.

Wie kann der Schaden dann berechnet werden, wenn der Mangel nicht beseitigt werden soll?

Hierfür stehen, kurz zusammengefasst, folgende Möglichkeiten zur Verfügung:

  • Berechnung der Differenz zwischen gedachten Wert des Werks ohne den Mangel sowie dem tatsächlichen Wert mit Mangel. Die Differenz ist dann der Schaden.
  • Schätzung anhand der für das Werk vereinbarten Vergütung.

Der BGH hält in seinen Leitsätzen hierzu ausführlicher fest:

  1. Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann im Rahmen eines  Schadensersatzanspruchs statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gegen den Unternehmer gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).
  2. a) Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann den Schaden in der Weise bemessen, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Bestellers stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt. Hat der Besteller die durch das Werk geschaffene oder bearbeitete Sache veräußert, ohne dass eine Mängelbeseitigung vorgenommen wurde, kann er den Schaden nach dem konkreten Mindererlös wegen des Mangels der Sache bemessen.
    b) Der Schaden kann in Anlehnung an § 634 Nr. 3, § 638 BGB auch in der Weise bemessen werden, dass ausgehend von der für das Werk vereinbarten Vergütung der Minderwert des Werks wegen des (nicht beseitigten) Mangels geschätzt wird. Maßstab ist danach die durch den Mangel des Werks erfolgte Störung des Äquivalenzverhältnisses.
  3. a) Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel beseitigen lässt, kann die von ihm aufgewandten Mängelbeseitigungskosten als Schaden gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB ersetzt verlangen. Vor Begleichung der Kosten kann der Besteller Befreiung von den zur Mängelbeseitigung eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen.
    b) Darüber hinaus hat der Besteller, der  Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB verlangt hat, grundsätzlich weiterhin das Recht,  Vorschuss gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu fordern, wenn er den Mangel beseitigen will.
  4. Auch im Verhältnis zum Architekten scheidet hinsichtlich der von ihm zu vertretenden Planungs- oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits
    verwirklicht haben, ein Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten betreffend das Bauwerk aus.
  5. a) Lässt der Besteller den Mangel des Bauwerks nicht beseitigen, kann er seinen Schaden gegenüber dem  Architekten im Wege einer Vermögensbilanz nach dem Minderwert des Bauwerks im Vergleich zu dem  hypothetischen Wert des Bauwerks bei mangelfreier Architektenleistung bemessen oder gegebenenfalls – bei Veräußerung des Objekts – nach dem konkreten Mindererlös.
    b) Hat der durch die mangelhafte Architektenleistung verursachte Mangel des Bauwerks zur Folge, dass eine Störung des Äquivalenzverhältnisses des Bauvertrags vorliegt, kann der Besteller stattdessen seinen Schaden auch in der Weise bemessen, dass er ausgehend von der mit dem Bauunternehmer vereinbarten Vergütung den mangelbedingten Minderwert des Werks des Bauunternehmers ermittelt.
  6. a) Lässt der Besteller den Mangel des Bauwerks beseitigen, sind die von ihm aufgewandten Kosten als Schaden gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB vom
    Architekten zu ersetzen. Vor Begleichung der Kosten kann der Besteller Befreiung von den eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen.
    b) Darüber hinaus hat der Besteller wegen Planungs- oder Überwachungsfehlern, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, einen  Schadensersatzanspruch gemäß § 634 Nr. 4, § 280 BGB auf Vorfinanzierung in Form der vorherigen Zahlung
    eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags gegen den Architekten.

Die Feststellungen des BGH gelten auch für Verträge, in die die VOB/B einbezogen wurde.

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Patrick Konze
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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Rechtsanwalt Patrick Konze Fachanwalt Baurecht Architektenrecht Weiden